Nigeria-Airways-Flug 2120
Am 11. Juli 1991 stürzte eine von der Nationair Canada geleaste Douglas DC-8-61 auf dem Nigeria-Airways-Flug 2120 beim Versuch einer Notlandung nahe dem King Abdulaziz International Airport in Dschidda ab. Die Maschine war zehn Minuten zuvor vom selben Flughafen gestartet und in Brand geraten. Bei dem Unglück kamen alle 261 Insassen ums Leben. Dieser Absturz ist der schwerste Unfall einer Douglas DC-8 und zudem der bislang schwerste Zwischenfall eines kanadischen Flugzeugs.
Technischer Zustand des Flugzeugs
Im Sommer 1991 mietete Nigeria Airways eine Douglas DC-8-61 (Kennzeichen: C-GMXQ) der Nationair Canada, um die Maschine im Auftrag verschiedener Reiseveranstalter auf Haddsch-Flügen von Nigeria nach Dschidda einzusetzen. Diesen zeitlich begrenzten Pilgerverkehr führte Nigeria Airways getrennt von ihrem regulären Linienflugbetrieb durch. Im Rahmen des Wet-Lease stellte Nationair neben den Piloten und dem Kabinenpersonal auch einen Mechaniker sowie einen Projektmanager zur Verfügung, der die Charterflüge vor Ort koordinierte und für die Einhaltung der Flugpläne verantwortlich war.
Bei einer am 7. Juli durchgeführten Kontrolle des Fahrwerks fiel dem kanadischen Mechaniker ein zu niedriger Druck in mehreren Reifen auf. Aufgrund der eng gestaffelten Einsatzplanung wurde aber auf einen Tausch der Räder bzw. eine Befüllung der Reifen verzichtet. Die Untersuchungskommission fand später heraus, dass die ursprünglich im Wartungsprotokoll eingetragenen Reifendrücke nachträglich mit höheren Werten überschrieben worden waren. In diesem Zustand führte das Flugzeug sieben weitere Flüge durch und traf am 10. Juli um 14:00 Uhr Ortszeit mit einer nigerianischen Pilgergruppe in Dschidda ein. Noch am selben Abend war ein Rückflug nach Sokoto geplant, der aber aufgrund von Verzögerungen bei der Passagierabfertigung auf den nächsten Morgen verlegt werden musste.
Vor dem morgendlichen Abflug aus Dschidda bemühte sich der Mechaniker den zur Reifenbefüllung notwendigen Stickstoff zu organisieren. Dieser war aber nur in der Werft der Saudi Arabian Airlines erhältlich, die sich in einem anderen Teil des Flughafens befand. Die Beschaffung des Stickstoffs hätte zu einer weiteren Verzögerung des ohnehin verspäteten Abflugs geführt, so dass der verantwortliche Projektmanager die Weisung erteilte, auf die Befüllung zu verzichten. Die Piloten wurden vermutlich nicht über den Zustand des Flugzeugs unterrichtet. Auf den Weg vom Terminal zur Startbahn legte die Maschine eine Strecke von rund fünf Kilometern zurück, wodurch sich die Reifen bereits vor dem Start beträchtlich aufheizten.
Unfallhergang
Um 8:28 Uhr Ortszeit leitete die Besatzung den Startvorgang auf der Startbahn 34L ein. Während die Maschine beschleunigte platzten bei einer Geschwindigkeit von 50 bzw. 90 Knoten nacheinander die beiden vorderen Reifen des linken Hauptfahrwerks. Mindestens eines der Räder wurde dabei durch Reifentrümmer blockiert. Nach dem Platzen der nebeneinander liegenden Reifen bekamen die vorderen Felgen sowie der Fahrwerkträger Bodenkontakt. Infolge der Reibung heizte sich das Metall extrem auf und entzündete die anhaftenden Reifenstücke. Die Besatzung hatte zwar das Platzen der Reifen registriert, brach den Startvorgang aber nicht ab. Zeugen beobachteten wie die Maschine nach dem Abheben eine Rauchfahne hinter sich herzog, die bis zum Einziehen des Fahrwerks sichtbar blieb.
Die Douglas DC-8 besaß keine Rauchdetektoren in den Fahrwerkschächten, so dass der Brand nach dem Einziehen des Fahrgestells zunächst unbemerkt blieb. Kurz nach dem Abheben zerstörte das Feuer die im Schacht verlaufenden elektrischen Leitungen, was eine Reihe von (falschen) Warnmeldungen im Cockpit auslöste. Die erste Warnung betraf ein Problem mit dem Kabinendruck. Die Besatzung teilte dies dem Fluglotsen mit und bat darum, bis zur Klärung der Situation eine Flughöhe von 2000 Fuß halten zu dürfen. Dabei verwendete der Kapitän aber fälschlicherweise das Rufzeichen Nationair 2120 statt Nigeria Airways 2120.
Dies führte zu einer Verwechselung. Weil unmittelbar zuvor eine Maschine der nationalen Fluggesellschaft Saudia Arabian Airlines ein identisches Problem gemeldet hatte, bezog der Kontroller den Funkspruch auf das saudische Flugzeug. Der Lotse wies die Piloten an, auf 3000 Fuß zu sinken. Die kanadische Besatzung, die sich noch unterhalb dieser Höhe befand, war durch die Anweisung irritiert, setzte aber den Steigflug entsprechend fort und bat zum Flughafen zurückzukehren. Die Maschine drehte anschließend in eine linke Platzrunde ein. Auch die in den nächsten drei Minuten erfolgten Mitteilungen des kanadischen Flugzeugs bezog der Lotse fälschlicherweise auf die saudische Maschine, so dass die Platzrunde weiter als notwendig nach Süden ausgedehnt wurde.
Inzwischen hatte sich der Brand im Fahrwerkschacht ausgedehnt und die dort verlaufenden Hydraulikleitungen zerstört, woraufhin die Querruder ausfielen. Die Maschine war danach nur noch bedingt steuerbar. Die entflammbaren Hydraulikflüssigkeiten verstärkten das Feuer, das sich danach unterhalb des Kabinenbodens ausbreitete und auf den rechten Fahrwerkschacht übersprang. Gleichzeitig drang Rauch in die Kabine ein. Um 8:33 Uhr zerstörte das Feuer die Verbindungen zum Flugdatenschreiber, wodurch sich die weiteren Geschehnisse an Bord nur bedingt rekonstruieren ließen. Wegen der Steuerungsprobleme und der Rauchentwicklung setzte die Besatzung einen weiteren Notruf ab, der diesmal vom Lotsen richtig zugeordnet wurde. Der Kontroller wies Nigeria Airways 2120 an, auf einen östlichen Kurs von 80 Grad zu schwenken, der das Flugzeug in die Position für den Endanflug brachte.
Trotz des Verlustes der Querruder gelang es der Besatzung, die Maschine in Richtung der drei zur Verfügung stehenden Landebahnen auszurichten. Kurz darauf wurde das Fahrwerk ausgefahren. Die plötzliche Sauerstoffzufuhr intensivierte den Brand, so dass der Kabinenboden über den geöffneten Fahrwerkschächten einbrach und mehrere Passagiere aus der Maschine stürzten. Die ersten Leichen wurden 18 Kilometer vor dem Flughafen gefunden. Durch die entstandene Öffnung drang das Feuer in die Passagierkabine ein und breitete sich dort durch den einströmenden Fahrtwind schlagartig aus. Dies führte zum Einbrechen weiterer Bodenabschnitte und vermutlich ebenso zu einer Beschädigung des zentralen Tanks. Die Besatzung teilte unmittelbar darauf um 8:36 Uhr per Funk mit, dass die Passagierkabine brannte ("We are on fire!"). Das Flugzeug steuerte anschließend die linke Landebahn (34L) an. Weil sich der Kurs aber offenbar nicht halten ließ, entschieden sich die Piloten für eine Landung auf der mittleren Bahn (34C). Zeugen beobachteten, wie die Nase der Douglas DC-8 im Endanflug plötzlich absackte. Die Maschine schlug um 8:38 Uhr etwa 2875 Meter vor der Landebahnschwelle mit einer Geschwindigkeit von ca. 440 km/h auf und explodierte. Die Untersuchungskommission ging davon aus, dass die Piloten kurz vor der Landung die Kontrolle über das Flugzeug verloren hatten, wobei aber auch ein strukturelles Versagen des Rumpfes infolge der Beschädigungen nicht ausgeschlossen werden konnte.
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